8. Februar 2019
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Der sektorielle Zugang der Schweiz
zum Binnenmarkt der EU
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Es gibt einen Aspekt der Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union (EU), welcher in der Schweizer Öffentlichkeit nahezu unumstritten ist: der sektorielle Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt. Diese Analyse liefert ausgehend von den vier Freiheiten, den Grundprinzipien des EU-Binnenmarktes, einen Überblick über den Marktzugang der Schweiz und diskutiert Ansätze, wie die Besonderheiten des Marktzugangs der Schweiz erklärt werden können.

Zusammenfassung
Als kleine und relativ offene Volkswirtschaft ist die Schweiz aus politikwissenschaftlicher Sicht ein Fall, in dem die wirtschaftliche Integration wahrscheinlich ist. Der Marktzugang passt gut in die aussenpolitische Tradition der Schweiz, welche seit vielen Jahrzehnten vom Paradigma der wirtschaftlichen Integration mit möglichst wenigen internationalen politischen Anbindungen geprägt ist. Der wirtschaftliche Charakter der Beziehungen der Schweiz zur EU wird in politischen Debatten oft betont. Die wirtschaftliche Integration ist tatsächlich nicht nur ein wichtiger Aspekt der Beziehungen der Schweiz zur EU, sondern auch der Europäischen Integration ganz allgemein.
Die Entwicklung eines gemeinsamen Marktes war seit ihrer Gründung im Jahr 1957 ein Ziel der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). In der Regel wird das Jahr 1993 als das Jahr der Vollendung des EU-Binnenmarktes angegeben. Der Binnenmarkt basiert auf den vier Grundfreiheiten: dem freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Verschiedene Abkommen zwischen der Schweiz und der EU decken Teile aller vier Freiheiten ab, wobei keine der vier Freiheiten in gleichem Masse verwirklicht ist wie in der EU. Die Integration der Schweiz erfolgt schrittweise und selektiv und zeigt damit die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen einer selektiven Marktintegration ohne gemeinsame Institutionen auf.
Freier Warenverkehr – Liberalisierung in sektoriellen Abkommen
Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU-Zollunion und das Cassis-de-Dijon-Urteil sowie anderer Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), welche den freien Warenverkehr in der EU massgeblich vorangetrieben haben, gelten für die Schweiz nicht. Der Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU wurde jedoch durch mehrere sektorielle Abkommen und innenpolitische Reformen in der Schweiz liberalisiert. Damit reicht der sektorielle Marktzugang der Schweiz weit über das hinaus, was ein Freihandelsabkommen üblicherweise liberalisiert.
Das älteste Abkommen und die Grundlage dieser Liberalisierung bildet das Freihandelsabkommen (FHA) von 1972. Durch das Abkommen wurden die Zölle auf industrielle Erzeugnisse mit Ursprung in der Schweiz und in der Europäischen Gemeinschaft erheblich gesenkt und teilweise abgeschafft und mengenmässige Beschränkungen für den Handel wurden untersagt. Mit den Bilateralen I wurde der Freihandel auf landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgedehnt. Eine aktuelle Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zeigt, dass das Freihandelsabkommen gut funktioniert: Schweizer Unternehmen profitieren von den Zollsenkungen für fast alle ihre Exporte in die Nachbarländer der Schweiz, allesamt EU- oder EFTA-Mitglieder.
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Mit den Bilateralen I wurde der Warenverkehr durch das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen sowie durch das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen (MRA, technische Handelshemmnisse) weiter liberalisiert. Beide Abkommen bauen technische Handelshemmnisse ab. Das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen geht weiter als das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, da es das Beschaffungswesen auch auf kommunaler Ebene und bei staatlichen Unternehmen liberalisiert.
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Während das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen die Rechte und Pflichten der Schweiz mit denen eines Mitgliedstaates gleichsetzt, handelt es sich beim MRA um eine massgeschneiderte Lösung. Das MRA führt konkrete Produktkategorien auf, für welche die Schweiz und die EU keine Konformitätsbewertungen durch ihre eigenen Behörden verlangen, wenn das Produkt auf dem Gebiet der Gegenpartei rechtmässig zum Markt zugelassen wurde. Da es die Produktkategorien abschliessend aufführt, geht das Abkommen weniger weit als das Cassis-de-Dijon-Prinzip der EU, wonach jedes Produkt, das legal in einem EWR-Mitgliedstaat (EU und EFTA) auf dem Markt angeboten wird, in jedem anderen Mitgliedstaat ohne zusätzliche Anforderungen gehandelt werden darf.
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Das MRA ist eines der wichtigsten Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Im Jahr 2016 wurden 69 Prozent der Schweizer Exporte in die EU und 61 Prozent der Schweizer Importe aus der EU durch das Abkommen vereinfacht und damit verbilligt. Um diese Funktion aufrechtzuerhalten, wurde das Abkommen regelmässig aktualisiert, sodass auch neue Produktkategorien miteinbezogen werden (siehe EFTA-Studies-Analyse Funktionsweise der Abkommen zwischen der Schweiz und der EU: die versteckte Dynamik und ihre Gründe). Vor Kurzem wurden Kapitel über Bauprodukte, Aufzüge, Biozid-Produkte, Seilbahnen und Sprengstoffe für zivile Zwecke hinzugefügt.
Freier Warenverkehr – Erleichterung durch unilaterale Massnahmen
Im Jahr 2010 hat die Schweiz die technischen Handelshemmnisse mit der EU durch eine unilaterale Gesetzesänderung weiter abgebaut. Mit der Teilrevision des Bundesgesetzes über technische Handelshemmnisse wurde unilateral das Cassis-de-Dijon-Prinzip eingeführt. Das Gesetz erlaubt es nun, Waren, die sich legal auf dem Markt der EU/EFTA befinden, ohne zusätzliche Anforderungen auf dem Schweizer Markt zu handeln. Einige Produkte, vor allem Lebensmittel, sind ausgeschlossen oder unterliegen zusätzlichen Anforderungen.
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Diese Reform ist ein anschauliches Beispiel für die Ziele, welche die Schweiz mit unilateralen politischen Massnahmen verfolgt. Solche Massnahmen werden oft mit dem Begriff 'autonomer Nachvollzug' beschrieben. Seit den 1990er-Jahren hat die Schweiz ihre Regulierungen mit jenen der EU harmonisiert, um technische Handelshemmnisse abzubauen. Die Harmonisierung der Gesetzgebung erleichtert den grenzüberschreitenden Handel in Bereichen, in denen die Regulierungen innerhalb der EU harmonisiert sind, und erhöht damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft, da die Schweizer Wirtschaftsakteure die gleichen Produktstandards für den Schweizer und den europäischen Markt nutzen können.
Wo es keine harmonisierten EU-Vorschriften gibt, ist eine Harmonisierung der schweizerischen Gesetzgebung mit EU-Standards nicht möglich. Die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips zielt daher vor allem darauf ab, den Warenverkehr von der EU/EFTA in die Schweiz in nicht harmonisierte Bereichen zu erleichtern. Damit soll der Wettbewerb auf dem Schweizer Binnenmarkt verstärkt werden, da mehr Produkte aus der EU in der Schweiz auf den Markt kommen, wenn dies für Produzierende aus der EU ohne Zusatzaufwand möglich ist, so die Annahme. Mehr Wettbewerb sollte die hohen Schweizer Preise für Konsumgüter senken. Eine Evaluation der Reform stellte tatsächlich eine preissenkende Wirkung fest, aber diese blieb hinter den Erwartungen zurück.
Unilaterale Massnahmen, sei es die Angleichung der Rechtsvorschriften an EU-Standards oder andere, weisen im Vergleich zu sektoriellen Abkommen Nachteile auf. Die unilaterale Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips erlaubt beispielsweise nicht, dass nach Schweizer Standards hergestellte Waren auf dem EU-Markt gehandelt werden. Sie müssen den harmonisierten EU-Normen oder, in nicht harmonisierten Bereichen, den jeweiligen nationalen Normen entsprechen, es sei denn, sie fallen unter das MRA.
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Freier Personenverkehr
Der freie Personenverkehr wurde als Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits mit dem Vertrag von Rom, dem Gründungsvertrag der EWG, eingeführt. In der Schweiz besser bekannt als „Personenfreizügigkeit“, hat das Prinzip seinen Ursprung in der Auffassung, dass die Arbeit ein „Produktionsfaktor“ ist und dass die Produktionsfaktoren in einem gemeinsamen Markt frei zirkulieren müssen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in den EU/EFTA-Staaten ermöglicht das Recht auf Aufenthalt, unselbständige und selbständige Erwerbstätigkeit. Insbesondere ist die Diskriminierung von Bürger*innen aus anderen EU/EFTA-Staaten auf dem Arbeitsmarkt verboten, die administrativen Anforderungen für Bürger*innen aus anderen Mitgliedstaaten werden auf ein Minimum beschränkt, berufliche Qualifikationen werden anerkannt und die Sozialversicherungssysteme koordiniert.
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In den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU wurde dieser Grundsatz mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen (PFZ) eingeführt, das Teil der Bilateralen I ist. Dieses Abkommen gewährt Schweizer Bürger*innen in der EU und EU-Bürger*innen in der Schweiz die gleichen Rechte. Das heisst, besteht ein Arbeitsverhältnis, gelten für EU-Staatsangehörige und Schweizer Staatsangehörige dieselben Sozialversicherungspflichten und -rechte. Die Sozialversicherungssysteme sind jedoch lediglich koordiniert, aber nicht vereinheitlicht, was bedeutet, dass die Sozialversicherungsbeiträge und -ansprüche in den verschiedenen Staaten nach wie vor von den nationalen Systemen geregelt werden und deshalb unterschiedlich sind.
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Im Laufe der Zeit hat sich der freie Personenverkehr in der EU von einer Arbeitnehmerfreizügigkeit hin zu einer Personenfreizügigkeit entwickelt. So können Bürger*innen der EU-Mitgliedstaaten beispielsweise an Kommunalwahlen teilnehmen, wenn sie in einen anderen EU-Mitgliedstaat ziehen. Schweizer Bürger*innen sind keine EU-Bürger*innen und besitzen dieses Recht nicht. Gleiches gilt für die Bürger der EWR/EFTA-Staaten, die zwar als Arbeitnehmende Freizügigkeitsrechte, aber keine politischen Rechte in der EU geniessen. Im Unterschied zu den EWR/EFTA Staaten hat die Schweiz allerdings die Unionsbürgerrichtlinie nicht übernommen, welche aktuell in der EU die Personenfreizügigkeit regelt und unter anderem die sozialen Rechte von EU-Bürger*innen erweiterte.
Das Schengener Abkommen über die Grenzkontrolle erleichtert den Personenverkehr in Europa in technischer und praktischer Hinsicht erheblich, da es die Grenzkontrollen unter den Mitgliedstaaten abschafft. Die Schweiz ist seit 2008 assoziiertes Mitglied des Schengen-Raums. Die Assoziierung gewährt Schweizer und EU-Bürgern*innen jedoch keine zusätzlichen Freizügigkeitsrechte.
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Freier Dienstleistungsverkehr
Der Dienstleistungsverkehr kann nicht losgelöst von den anderen Freiheiten betrachtet werden. Obwohl es zwischen der Schweiz und der EU kein Abkommen zur Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs gibt, sind die Dienstleistungsbestimmungen im Versicherungsabkommen sowie in mehreren Abkommen der Bilateralen I teilweise liberalisiert: PFZ, öffentliches Beschaffungswesen, Landverkehr, Luftverkehr.
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Das Versicherungsabkommen liberalisiert den Handel mit Dienstleistungen in sehr begrenztem Umfang. Es gewährt schweizerischen Versicherungsunternehmen und ihren Zweigniederlassungen in der EU sowie den EU-Versicherungunternehmen und ihren Zweigniederlassungen in der Schweiz das Niederlassungsrecht. Das Abkommen liberalisiert allerdings den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen im Versicherungssektor nicht.
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Das Personenfreizügigkeitsabkommen liberalisiert die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung von Bürger*innen aus der EU bzw. der Schweiz für bis zu 90 Tage pro Kalenderjahr. Die Leistungserbringung muss den Schweizer Behörden im Voraus mitgeteilt werden. Für Zeiträume von mehr als 90 Tagen ist eine Genehmigung erforderlich. Die Meldepflicht soll es den Schweizer Behörden erleichtern, Fälle von Lohndumping zu erkennen. Die EU sieht in dieser Meldepflicht schon seit Längerem einen Verstoss gegen EU-Recht. Der aktuelle Entwurf eines institutionellen Rahmenabkommens schreibt eine verkürzte Voranmeldepflicht fest.
Ferner wurde der Dienstleistungsverkehr durch das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Bilaterale I) liberalisiert – z. B. wenn öffentliche Stellen Dienstleistungen benötigen –, oder durch das Luftverkehrsabkommen – z. B. indem Schweizer Fluggesellschaften das Recht eingeräumt wird, von und zu EU-Flughäfen zu fliegen und Flüge zwischen EU-Flughäfen (mit oder ohne Zwischenlandung in der Schweiz) anzubieten – sowie durch das Abkommen über den Landverkehr, welches den Transport von Waren und Personen zwischen verschiedenen EU/EFTA-Staaten liberalisiert. Transporte zwischen verschiedenen Orten innerhalb eines Staats sind allerdings nicht abgedeckt. Für die Dienstleistungen, welche in diesen drei Abkommen geregelt werden, gelten die im PFZ geregelten Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, insbesondere die 90-Tage-Limite und die Voranmeldepflicht, nicht.
Eine grundsätzliche Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs war anfänglich Gegenstand der Verhandlungen der Bilateralen II, das Dossier wurde jedoch aufgrund von unüberbrückbaren Differenzen aufgegeben. Heute handelt es sich bei den Wirtschaftssektoren, welche von einem Dienstleistungsabkommen am stärksten betroffen wären, vor allem um den Versicherungs- und den Finanzsektor. In beiden Sektoren gibt es Stimmen für und gegen ein Dienstleistungsabkommen. Viele Unternehmen besitzen bereits Niederlassungen in der EU/EFTA, die es ihnen ermöglichen, auf dem EU-Markt unter den gleichen Voraussetzungen wie EU-Firmen aktiv zu sein. Privatbanken könnten allerdings von einer Liberalisierung der überwachungspflichtigen Finanzdienstleistungen profitieren. Die Kantonalbanken befürchten hingegen, dass sie ihre staatlichen Garantien verlieren würden, da staatliche Beihilfen in der EU restriktiver geregelt sind als in der Schweiz. Dieses Beispiel verdeutlicht stellvertretend für viele Branchen, wie der selektive Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt ganz spezifische Interessen und Akteure in der Schweiz begünstigen oder benachteiligen kann.
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Freier Kapitalverkehr
Sowohl in der EU als auch in der Schweiz unterliegt der Kapitalverkehr grundsätzlich keinen Beschränkungen. Zudem unterliegen sowohl die Schweiz als auch die EU den diesbezüglichen OECD-Regeln. Weil die Schweiz und die EU jedoch kein Abkommen über den freien Kapitalverkehr abgeschlossen haben, sind nur wenige Bereiche ausdrücklich liberalisiert. Das PFZ gewährt EU-Bürger*innen das Recht, in der Schweiz Immobilien zu erwerben. Das Luftverkehrsabkommen gewährt im Bereich der Zivilluftfahrt das Niederlassungsrecht, einschliesslich der Gründung und Leitung von Unternehmen und der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Sie beinhaltet allerdings nicht das Recht, eine Firma zu übernehmen.
Schlussfolgerung
Mit Bezug auf die vier Freiheiten des EU-Binnenmarkts lässt sich der Marktzugang der Schweiz wie folgt zusammenfassen: Durch die sektoriellen Abkommen hat die Schweiz den Personenverkehr fast vollständig liberalisiert, ohne allerdings Rechtsentwicklungen wie die Unionsbürgerrichtlinie oder die Entsenderichtlinie nachzuvollziehen. Auch der Warenverkehr ist sehr stark liberalisiert. Der Dienstleistungsverkehr ist nur für bestimmte Sektoren und stets mit gewissen Einschränkungen liberalisiert, während es fast keine spezifischen Regeln für den Kapitalverkehr gibt, insbesondere weil die Schweiz hier bereits über sehr liberale Regelungen verfügt.
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Trotz der weitreichenden Liberalisierung bleibt der Zugang der Schweiz zum EU-Markt selektiv. Die Schweiz beteiligt sich nicht an der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik (nur der Handel mit Agrarprodukten ist teilweise liberalisiert), ist nicht Teil der Zollunion und verfolgt im Unterschied zu den EU-Mitgliedstaaten eine eigenständige Handelspolitik. Während diese Ausnahmen denen der EWR/EFTA-Staaten ähneln, ist der Marktzugang der Schweiz auch in den Bereichen, die unter die sektoriellen Abkommen fallen, eingeschränkt. Beispielhaft dafür sind das im Vergleich zum EWR weniger umfassende und weniger dynamische MRA, die stückweise Liberalisierung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs sowie die Voranmeldepflicht für Dienstleistungen von EU-Bürger*innen im PFZ. Diese Einschränkungen gewähren der Schweiz eine gewisse Autonomie, die sie zum Beispiel für Massnahmen gegen Lohndumping nutzen kann. Sie führen allerdings auch zu Spannungen mit der EU, welche den Zugang der Schweiz zum EU-Markt zunehmend an die Anwendung der in der EU gültigen Regeln knüpft.
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Der Schweizer Fall zeigt also, dass der Marktzugang auch unterhalb der Schwelle der EU- oder EWR-Mitgliedschaft möglich ist. Die wirtschaftliche Interdependenz und besonders die Exportabhängigkeit der Schweizer Wirtschaft erklären, warum der Warenverkehr weit über ein Freihandelsabkommen hinaus liberalisiert ist. Die fast vollständige Liberalisierung der Personenfreizügigkeit wird hingegen besser durch die Verhandlungsdynamik zwischen der Schweiz und der EU erklärt (siehe EFTA-Studies-Analyse Die Logik der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU). Schliesslich verdeutlicht die teilweise Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs, wie die spezifischen und teils widersprüchlich Interessen der Schweizer Wirtschaftsakteure das Verhältnis zur EU prägen.
Zitierempfehlung
Jenni, Sabine (2019): Der sektorielle Zugang der Schweiz zum Binnenmarkt der EU. Analyse. efta-studies.org.
Quellen und weiterführende Literatur
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